Trau dich doch mal: Live-Portraitzeichnen

von | Okt 1, 2015 | 0 Kommentare

Ist ja gut…! Ich hör‘ schon auf dem Sommer hinterher zu trauern… und akzeptiere den herbei galoppierenden Herbst. *hmpfst*
Aber einen hab ich noch… einen letzten Sommermoment den ich mit euch teilen muss:
In einer heiteren Episode mit mir und meinem Zeichenmuskel lassen wir das Sommerfest am Haus Mariengrund noch einmal Revue passieren. Viel Spaß beim Lesen! (Mit Bilderrätsel! 😉 )


Völlig geschafft und überglücklich geben wir uns ein High Five.
„Ya man! Das war gut!“ , frohlockt mein Zeichenmuskel, während er sich breit grinsend aufs Sofa wirft und eine Tüte Chips öffnet.
„Ich muss sagen, du hast mich wirklich überrascht, mein Lieber.“ , sage ich. „So einen Andrang hatte ich nicht erwartet. Und mal ehrlich: fürs erste Mal, warst du verdammt gut!“

Ich schlendere durch die Wohnung, eine gelbe Tiger-Zahnbürste in der Hand, auf der Suche nach meinem Sohn, der sich wie üblich zur Zahnputz-Zeit irgendwo in der Wohnung versteckt hält. Dabei lasse ich noch einmal alle Erinnerungen des heutigen Tages an meinem geistigen Auge vorbeiziehen: ein wunderbarer Sommertag an einem idyllischen Ort irgendwo in Münster. Artisten, Grillwürstchen-Duft, vergnügtes Kinderlachen, Vogelgezwitscher, vor Kraft und Leben strotzende Baumkronen umgeben von einem satten Himmelsbau… und dazwischen… ein vor Panik und Entsetzen geschüttelter Schrei. „Neeeeeein!“ , ruft mein Zeichenmuskel verzweifelt. „Das kannst du nicht… lass das… neeeeein… bleib sofort STEHEN!!!“ , japst er und versucht mich, am Hosenbund zerrend, davor zurückzuhalten, mitten im Kinder-Kreativ-und-Bespaßungs-Bereich, ein vor wenigen Minuten selbst gestaltetes Plakat gut sichtbar auf einer großen Staffelei anzubringen, auf dem in harmlosen Lettern geschrieben steht: „Ich male ein Bild für Dich. Von Dir oder einem Tier.“
„Ich warne dich… wenn du das…“ Aber – zack! – da klebt es schon. „Man, altaaaa…“. Resigniert starrt er auf meine Schuhe. Ich lege meine Hand auf seine Schulter. „Ich weiß, du hast Angst. Aber was soll schon passieren? Wenn es misslingt, müssen die Leute ja nicht mal bezahlen.“, sage ich und deute auf den Hinweis, welcher die verheißungsvolle Botschaft auf dem Plakat ergänzt: „Zahle, was es dir wert ist“.
„Ist doch nur just-for-fun!“ , sage ich versöhnlich.
„Man ey, wir ham uns mal ‚was geschwor’n!“ , knirscht es aus ihm heraus,
„Nie – mals – live – Portrait – zeichnen! NIEMALS!“.

Ich seufze. Ja, das hatten wir uns tatsächlich einmal geschworen. Niemals wollten wir in die Situation kommen in der Öffentlichkeit an einer Staffelei zu sitzen, dabei dem Gezeichneten zusehen zu müssen, wie er vor Langeweile vom Stuhl kippt und es hinter uns flüstern zu hören: „Du, des schaut dem Kindl aba gar net ääähnlich!“
Warum ich den Schwur heute breche? Ich habe mich weiterentwickelt, weiß mittlerweile was wir können und was wir nicht können, und außerdem fiel mir nichts Besseres ein, um den Aufwand für meinen kläglich besuchten Mal-Tisch, den ich als große Aktion für die Kinder vorbereitet hatte, wenigstens ein bisschen zu rechtfertigen.

Das erste Kind stellt sich an. „Malst du mich?“ – „Na klar, nimm Platz!“ , sage ich und deute auf die Bank neben der Staffelei. „Na danke…“ , raunzt der Zeichenmuskel und wirft mir einen Blick des Todes zu, während er sich zur Staffelei bewegt, „… oh man, das wird so peinlich!“
Stumm drücke ich ihm Block und Bleistift in die Hand und versuche die wirklich üblen Fäkalworte und Flüche, die er mir an den Hals wünscht – und die Gott sei Dank nur ich hören kann – nicht persönlich zu nehmen. Die Vorskizze ist fertig. Ich assistiere ein wenig beim Anbringen des Blattes an der Staffelei und beim Auftragen der Farben auf die Palette. Dabei werfe ich einen kurzen Blick auf die Skizze. „Mhm, sieht gar nicht so übel aus.“ , sage ich. „Klappe!“ , schießt es zurück.
Nachdem das erste Portrait im Stil einer Kinderbuchzeichnung fertig koloriert ist, landen 2 € in unserer Moneten-Büchse und das nächste Kind drängt sich auf die Bank. Der Zeichenmuskel zeichnet, koloriert und sackt stumm einen Euro ein. Ich bedanke mich freundlich. Der Zeichenmuskel schweigt und lässt das nächste Kind Platz nehmen. Er zeichnet, koloriert. Zwei Euro für die Büchse. Das vierte Kind nimmt Platz. Er zeichnet, schwingt den Pinsel und übergibt dem Kind freundlich sein Portrait. Es strahlt. Fünf Euro! Das nächste Kind setzt sich aufgeregt auf die Bank. Skizze, bunt, ein Lächeln vom Zeichenmuskel. Er nimmt Fahrt auf. Kind fünf, sechs und sieben. Ich schaue mich um. „Boooah!“, entfährt es mir. Hinter uns hat sich eine lange Schlage aus Kindern gebildet und aus Eltern, die ihren Kindern einen Platz in der Schlange freihalten. Ich lausche. Nichts. Keiner der die Ähnlichkeit zwischen Illustration und Model anzweifelt. Dafür die obligatorischen Oh’s und Ah’s, viele ich-will-das-auch’s und einige Mama-das-ist-ne-echte-Künsterlin’s. Zwischendurch Mini-Kuschel-Pausen mit Sohnemann, der mit Papa das Festgelände erkundet. „Mama, machs’du?“, fragt er interessiert. „Ich male Bilder von den Kindern“ , antworte ich. „Ah!“ , sagt’s, ein Küsschen noch und weiter geht’s.
Die Mädchen machen sich nun extra hübsch für ihr Portrait. Die pink geringelten Kleider müssen unbedingt mit aufs Bild. Und wenn da eine Hello Kitty mit gelber Nase (ja, sie hat wirklich eine gelbe Nase!) auf dem Shirt prangt, so erfüllt der Zeichenmuskel auch diesen wichtigen Wunsch.
Endlich wird auch ein Tier statt eines Portraits gefordert, nämlich das Haustier eines entzückenden Mädchens: eine knallrote Würgeschlange namens Luise mit Morsezeichen-Schuppen-Muster und gelben Augen. Abgefahren!
Kind acht, neun, zehn… die Menschen-Schlange wird nicht kürzer. Um halb sechs muss ich die ersten Kinder vertrösten. „Das Fest ist gleich zu Ende. Ihr könnt euch leider nicht mehr anstellen. Aber nehmt doch einen Flyer mit! Vielleicht sehen wir uns ‚mal wieder!“
Der Zeichenmuskel bekommt von all dem nichts mit. Schwungvoll lässt er die Pinsel fliegen und Kinder- , Mütter- und Väterherzen höher schlagen.
Nach unfassbaren 3,5 Stunden höre ich Kind 13 klagen, während Kind 12 noch Modell sitzt: „Mama, ich will nicht mehr!“ – „Oh ne, Julius. Jetzt haben wir so lange angestanden, das schaffst du jetzt auch noch!“ Er ist der Letzte für heute. Sichtbar erschöpft zwingt er sich auf die Bank. Die zwei Minuten reichen für die Skizze. Beim kolorieren schaut er gar nicht mehr zu. Aber das macht nichts. Augen-, Haar- und T-shirt-Farben wurden abgespeichert… mehr braucht der Zeichenmuskel nicht zu wissen, um das letzte Portrait für heute fertigzustellen.
Julius schaut beim Umhertollen noch einmal kurz bei uns vorbei. Er bleibt stehen. Plötzlich ruft er laut: „Mamaa! Das bin ich!“, und zeigt auf die Illustration. „Toll, oder?“ , freut sich seine Mutter. Stolz nimmt Julius den Papier-Julius in die Hand und verlässt mit seinen Eltern das Gelände. Puh, nochmal gut gegangen.

Das Festgelände ist plötzlich leer und leise. Friedlich sitzen mein Zeichenmuskel und ich auf der Wiese vor unserem Mal-Stand.
„… voll krass…“, haucht er, noch sichtlich berauscht.
„Der Hammer!“, sage ich, während sich mein Sohn stillend auf meinen Schoß kuschelt.
„Wie viele Kinder waren das?(*)“, fragt mein Zeichenmuskel.
„Keine Ahnung!“ , sage ich.
„Hast du Fotos gemacht?“, fragt er.
„Ne.“ , sage ich und er: „Scheiße! … Egal. Beim nächsten Mal!“

* * *

Der Zahnputz-Tiger siegte an diesem Abend mit einem erfolgreichen 1:0. Auch der Sandmann hatte es nicht schwer bei meinem Sohn und meinem Mann. Selig röcheln beide neben mir in ihre Kissen, während der Zeichenmuskel immer noch schwärmt: „Hast du gesehen, wie krass das mit den Farben kam?“ – „Ja, das war echt gut!“ sage ich und will gerade so etwas sagen wie: „Supi, jetzt ist bestimmt der Knoten geplatzt und wir können uns wieder an unser Buch setzen. Hoffentlich hast du morgen keinen Kater.“
Da sagt er: „Boah, ich hab jetzt schon soooo ’nen Muskelkater!“
„ … “

Amen

(*) Wenn man nicht mehr weiß, wie viele Kinder man gezeichnet hat, muss man hinterher einfach nur die fehlenden Blätter im Block zählen. 😉


Portraitmalerei Haus Mariengrund

Juhu! Da hat ja doch noch jemand ein Foto geschossen! 😀 Foto: Copyright Haus Mariengrund


Und zum Schluss noch ein Bilderrätsel:
Woran soll mich dieses Bild bei der nächsten Mal-Aktion erinnern?

Haare in Acryl

Unbedingt die Haare zusammen binden, wenn man auf windigem Feld mit Acrylfarbe hantiert! Autsch!

Martina Bürger

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